Donnerstag, 14. Juni 2007

Unterwegs nach Lesotho

Heute Morgen mussten wir früh aufbrechen, da Schwester Electa die zwei Aidspatientinnen von gestern und ihre Fürsorgerin bei den “flats” absetzen muss. Die “flats” ist eigentlich das Versorgungsamt. Hier kann man die verschiedenen „grants“ beantragen, die zur Versorgung im Krankenhaus notwendig sind.
Außerdem haben wir einen deutschen Pater im Gepäck, der Father Alois in Krishani vertritt und gerne mal Botshabelo sehen möchte.

Auf dem Weg nach Botshabelo ruft die Fürsorgerin wieder an. Es fehlen doch noch Unterlagen aus dem Krankenhaus und sie müssen noch mal zurück. Das spielt sich offensichtlich immer wieder so ab und jedes Mal fehlt etwas anderes.
Da eine der Patientinnen im Rollstuhl sitzt und die andere nur ganz langsam laufen kann und wir nun bereits zu weit weg sind, muss die Fürsorgerin alleine zum Krankenhaus zurück.

Botshabelo – der Township im Nirgendwo
Botshabelo liegt ca. 50 km von Bloemfontein entfernt auf dem Weg nach Lesotho. Hier ist von einigen Jahren mitten im Nirgendwo ein Township entstanden. Viele der arbeitenden Bewohner fahren jeden Tag nach Bloemfontein zur Arbeit. Inzwischen haben sich auch einige Fabriken direkt in Botshabelo niedergelassen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bewohner von Botshabelo erkennt man an ihren Behausungen. Von notdürftig zusammen gezimmerten Blechhütten bis zu ansehnlichen Einfamilienhäusern gibt es alles.

Wir fahren in die M-Section. Hier leben und arbeiten die Holy Cross Sisters. Auf Anraten von Schwester Hedwig aus Altötting soll ich mir sowohl die Klinik als auch das Zentrum für die Behinderten Kinder und das Ernährungsprogramm ansehen.

Die Garage der Klinik für die Mitschwester
Die Klinik wird von einer irischen Mitschwester geleitet. Die Schwestern haben zu diesem Zweck ihre Garage geopfert und noch ein bisschen angebaut. Auf dem Grundstück neben der Klinik steht eine Hütte aus Blech und Lehm. Das Grundstück daneben konnten die Schwestern erwerben und haben darauf zwei umgebaute Kühlcontainer stehen. Der eine ist die Beratungs- und Behandlungsstation und die Medikamentenausgabe für die Aidspatienten und der andere wird für Fortbildungen genutzt.
Heute ist es sowohl in der Klinik als auch hier besonders voll, da die staatlichen Krankenhäuser immer noch streiken und die Lage für die Kranken immer kritischer wird.

Behinderte Kinder – vernachlässigt und vor den Nachbarn versteckt
Danach besuchen wir das Zentrum für die behinderten Kinder. Ähnlich wie in Sizanani haben die Schwestern diese Kinder bei ihren Hausbesuchen getroffen - vernachlässigt und möglichst vor den Nachbarn versteckt. Das Zentrum ist momentan in den leerstehenden Räumen einer Grundschule untergebracht. Allerdings ist hier alles recht eng und nicht behindertengerecht. Ausserdem fordert die Schule immer mehr Miete. Im Zentrum werden die Kinder tagsüber betreut und lernen so viel, dass sie dann auf eine entsprechende Schule für Behinderte gehen können. Die Kinder werden bisher von einer geschulten Schwester und Freiwilligen betreut. Sie bekommen ein kleines Entgelt, mit dem sie so gerade ihre eigenen Transportkosten decken können. Ich erzähle von dem vorbildlichen Zentrum in Sizanani, das ein Modell für die Schwestern hier sein kann. Sie planen, in Botshabelo ein eigenes Zentrum für behinderte Kinder zu gründen. Die „Knights of Da Gama“ (Angehörige eines Clubs, der ein grosses Casino betreibt) haben sich bereiterklärt eine bestimmte Summe beizusteuern. Diese „Ritter“ kommen bisher auch für einen Teil der laufenden Kosten auf.

Schnee auf den Bergen von Lesotho
Die Schwestern aus Botshabelo bringen mich am Nachmittag weiter nach Lesotho. Von weitem kann man schon den Schnee auf den Bergen sehen. Ansonsten gleicht das hier den weiten Flächen in Arizona. An der Grenze warten schon Schwester Alice und noch eine Reihe anderer Schwestern. Offenbar haben die Schwestern großes Vergnügen an längeren Autoreisen, denn geplant ist, dass wir in dieser oder ähnlicher Besetzung in den nächsten Tagen noch viel unterwegs sind.
Die Zollformalitäten sind erst nach ungefähr einer Stunde erledigt (Ausreise aus Südafrika und Einreise nach Lesotho). Vor allem der Streik der südafrikanischen Zöllner ist für die Verzögerung verantwortlich.

Wir fahren durch Maseru die Hauptstadt von Lesotho, werfen einen flüchtigen Blick auf den Königspalast und dann geht es schon weiter. Mit dem Verlassen Südafrikas verändert sich auch das Straßenbild. Viele Menschen sind zu Fuß unterwegs, Rinder werden über die Strassen getrieben und an den Straßenrändern gibt es Orangen und ein wenig Gemüse zu kaufen.

Das kleine Königreich ist mehr oder minder von Südafrika abhängig. Ein Großteil der Arbeit suchenden Bevölkerung zieht nach Südafrika in der Hoffnung, dort fündig zu werden. Endstation sind für die meisten die großen Townships. Arbeit finden sie allenfalls als Tagelöhner. Zurück bleiben Frauen, Kinder und alte Menschen. Was die zwischen Südafrika und Lesotho pendelnden Männer nach Hause mitgebracht haben war Aids. Die Auswirkungen sind verheerend: die Zahl der Kinderhaushalte wächst stetig und Lesotho hat dem kaum etwas entgegen zu setzen. Bisher betreibt nur der Staat ein ARV-Programm. In den wenigen Kliniken des Landes fehlt es häufig an Medikamenten. Viele Menschen leben in den Bergen, weitab der Strassen und Zentren und haben kaum Zugang zu medizinischer Versorgung.

Tanzende Zwerge in Mafeteng
Unser erster Stop ist Mafeteng. Hier haben die Holy Cross Sisters eine Pre-school gestartet, müssen sich allerdings mit sehr engen Räumlichkeiten begnügen. Ein Neubau ist geplant, muss aber noch finanziert werden.
Die Kinder und ihre Eltern warten schon seit Stunden auf unsere Ankunft. Es wird gesungen und getanzt, während meine einzige Sorge die Gesungheit der leicht bekleideten Zwerge vor mir ist.

Empfang in Mohale’s Hoek
Von Mafeteng geht es weiter in den Convent nach Mohale’s Hoek, wo auch die Lerato Pre-School angegliedert ist. Während wir auf der guten Teerstraße durch die Berge fahren, geht die Sonne langsam unter. Immer mehr Hirten bringen ihre Herden nach Hause in kleine Steinkrale. Diese schützen sie nicht vor wilden Tieren, die es hier nur noch in den abgelegeneren Bergregionen gibt, sondern vor Dieben. Dies sei vor einigen Jahren noch nicht so gewesen, sagen die Schwestern. Leider können sich immer weniger Menschen von der Landwirtschaft ernähren und verarmen deshalb vollständig. Die Böden in Lesotho haben extrem unter der massiven Abholzung gelitten. Häufig ist nur kahler Fels geblieben und eine dünne, wenig nahrhafte Erdschicht. Sobald es regnet wird auch diese weggewaschen. Andererseits werden auch hier Klimaveränderungen spürbar. Man kann sich nicht mehr auf den jährlich wiederkehrenden Regen verlassen. So ist durch den extrem trockenen Sommer in Lesotho und Südafrika, ein Großteil der Ernte ausgeblieben.

Die Eltern und Kinder der Lerato Pre-School haben mir einen überwältigenden Empfang bereitet. Es wird gesungen und getanzt und obwohl es inzwischen dunkel ist, will niemand wirklich nach Hause gehen. Besondere Freude macht den Frauen, dass der „Mosotho Mè“ (traditionelles Kleid in Lesotho), den sie mir anziehen, tatsächlich wie angegossen passt. Darüber kommt noch eine Lesotho-Decke und ich bin in ihren Augen eine gemachte Frau.

Im Convent werde ich herzlich aufgenommen und alle danken Schwester Maria Elisabeth (Altötting) dafür, dass sie mich geschickt hat. Man hat mir einen dramatisch riechenden Ölofen ins Zimmer gestellt, aber Hauptsache warm, denn es ist lausig kalt hier.