Montag, 25. Juni 2007

Ein Tag in Jabulani

Letzte Nacht habe ich zum ersten Mal mit einer dünnen Decke schlafen können.
Es ist wunderbar warm und trotz der Trockenheit ist die Vegetation tropisch grün. Außerdem gibt es Bananen, Avocados, Mangos und viele andere Früchte.

Heute Morgen hat mich Schwester Marco Gneis (CPS) abgeholt. Vorbei an den geschlossenen Primar- und Sekundarschulen, vorbei an den streikenden und den Streik kontrollierenden Gewerkschaftern und der großen Kathedrale von Marianhill fahren wir zum Jabulani Self Help Centre.

Dem Centre sieht man an, wie es sich über die Jahre entwickelt hat und gewachsen ist. Zunächst stand hier nur ein Gebäude, dann wurde an und immer wieder umgebaut und umgeräumt, alles aus eigener Kraft, mit den Menschen vor Ort und schließlich auch unter deren eigener Regie.

Schwester Marco und ihr Counterpart Ali beratschlagen immer gemeinsam. Finale Entscheidungen werden durch das Board getroffen und getragen.
Schwester Marco ist es ganz wichtig, nur im Hintergrund zu stehen. Sie hält den hier arbeitenden Frauen, den Kinder und großen Jungen, die auf dem Gelände in beeindruckender Form eine Wohngemeinschaft gebildet haben, wo es nur geht den Rücken frei. Frauen und Kinder kommen jeden Morgen. Wenn die Schulen geöffnet sind, kommen die Größeren erst mittags und bleiben dann bis nachmittags. Die großen Jungen gehen entweder noch in die Sekundarschule, machen eine Ausbildung oder suchen Arbeit. Aus den verschiedensten Gründen können sie nicht mehr zu Hause wohnen. Für die meisten ist Zuhause, das Haus der Großmutter oder anderer Verwandte, da die Eltern an Aids gestorben sind. In anderen Fällen ist die Situation daheim oft nicht mehr tragbar. Die Mütter trinken, Männer gehen ein und aus, die eigenen Kinder erden vernachlässigt. Die Jungen selbst bitten dann oft darum, in Jabulani aufgenommen zu werden. Sie versorgen sich weitgehend selbständig und achten aufeinander.

Die Frauen, Mütter, Großmütter und Tanten im weitesten Sinne, werden vom Projekt unterstützt, indem sie unterstützt werden, selbst aktiv zu werden. In verschiedenen Bereichen (Kerzengießerei, Schneiderei, Perlenschmuck, Bäckerei) können sie ganz nach Neigung und Fähigkeit mitarbeiten und so ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Es gibt grundsätzlich keine Almosen, sondern praktische und zukunftsorientierte Hilfe zur Selbsthilfe.

Die Menschen kommen mit den unterschiedlichsten Bitten und Sorgen ins Zentrum: kein Geld für die Miete, kein Geld für die Schuluniform, nicht genügend zu essen, kein Busgeld, kein Geld für Reparaturen am Haus, kein Geld für eine Beerdigung. Die Liste wäre unendlich fortsetzbar. Für alle Anliegen gilt aber: erst Arbeit dann Unterstützung. Diesen Grundsatz verteidigen die Frauen auch untereinander und vor Neuankömmlingen.

„I have a big dream.“
Einer ihrer großen Träume, sagt Schwester Marco, ist, dass die Frauen mit ihrer Schneiderei unabhängig werden. Am meisten Sorgen macht ihr „the future of all these kids, what do we do with them?“ – die Zukunft all’ dieser Kinder, was machen wir nur mit denen? Bis zum Abschluß der Schule sind die Kinder versorgt, dafür hat Schwester Marco inzwischen gesorgt. Schwierig wird es danach. Viele sind handwerklich, praktisch veranlagt. Nur wenige erhalten eine akademische Ausbildung – auch aus Kostengründen. Gebraucht werden praktische Ausbildungsplätze. Es gibt eine recht gut eingerichtete Werkstatt. Die kann aber mangels einer Fachkraft nicht ausreichend genutzt werden. Schwester Marco wünscht sich für die Jungen jemanden, der ihnen eine entsprechende Ausbildung vermittelt. Sie denkt, je mehr der Jungen eine Ausbildung machen, um so mehr stehen später auf eigenen Füßen und haben nicht nur Mädchen im Kopf. Die Zahl jungen Mütter, oft nicht älter als 13-14 Jahre ist erschreckend hoch in Südafrika.

Die „Mutter“ des Projekt ist Gloria – micht nur für ihre eigenen Kinder, auch für die vier von ihr angenommenen Aidswaisen und für die Frauen und Kinder in Jabulani.
Sie hört zu, berät, macht Vorschläge. Von ihr erhalten viele Kinder die Liebe und das Verständnis, die sie daheim vermissen. Für viele ist Jabulani ihr Zuhause geworden.

„Wir leben in einem afrikanischen Dorf.“
Diese Aussage verband ich bisher nur mit einer visuellen Vorstellung. Inzwischen weiß ich, dass damit vor allem das Miteinander der Generationen und der recht zwanglose und doch sehr respektvolle Umgang gemeint sind.
Passend zur Teepause hat sich eine Horde kleiner Herren zwischen zwei und fünf Jahren für einen Snack ins Büro eingeladen. Die Türen hier sind nicht verschlossen und jeder kann reinkommen, etwas fragen oder eine Geschichte zum Besten geben. Die kleinen Jungs ziehen dann auch mit ihrer Beute – jeder bekommt einen Apfel und die anderen draußen dann auch gleich einen – weiter. Gegen Mittag kommen zwei von den großen Jungen. Einer macht gerade eine Ausbildung zum Koch. Das ist möglich, weil der Ausbilder die Hälfte der Kosten erlassen hat (statt 80.000 nur 40.000 Rand) und ein Spender für den Rest aufkommt. Der angehende Chefkoch war heute mit seinem Freund unterwegs, dem er bei der Stellensuche behilflich ist. Eine Frau kommt rein und deponiert die ARV’s für ein Kind.

Die meisten der hier arbeitenden Frauen sind HIV positiv, auch viele der Kinder sind infiziert. Durch das gesunde, regelmäßige Essen in Jabulani geht es ihnen deutlich besser als zu dem Zeitpunkt, als sie das erste Mal kamen. Um auch die Ernährung zu Hause sicherzustellen, werden nach Bedarf „food parcels“ an die Familien ausgegeben. Denn für eine erfolgreiche ARV-Therapie ist regelmäßige gesunde Nahrung von entscheidender Bedeutung.

Am Nachmittag packen die Frauen und die Kinder zusammen. Die Kinder werden noch einmal gewaschen, da das zu Hause oft nicht möglich ist. Dann machen sie sich auf einen zum Teil sehr weiten Heimweg. Manche nimmt Ali im „Bucki“, einem Pickup mit Verdeck, mit. Wir fahren in das angrenzende Township, damit ich einige der inzwischen gebauten Häuser sehen kann und eine Idee davon bekomme, wie die Menschen leben, die nach Jabulani kommen.