Donnerstag, 7. Juni 2007

Father Kairns erzählt

Nach einer eisigen Nacht (Häuser ohne Heizung, aber mit ausreichend Belüftung) und einem warmen Frühstück mit anschließender Messe (sogar für unsere Verhältnisse sehr knapp gehalten), fahre ich mit Schwester Bertha und Schwester Lauda nach Alexandra, um das Projekt von Father Kairns zu besuchen.
Das Kindermissionswerk fördert hier eine Projektpartnerschaft (P 01H). Früher hat sich Schwester Bertha selbst um dieses Projekt gekümmert, jetzt ist sie zu alt und lebt im Bethany Convent in Brakpan, ungefähr eine Autostunde von Alexandra entfernt. Allerdings behindert der Bau der Gauteng-Bahn (von Jo’burg über den internationalen Flughafen nach Pretoria) den ohnehin schleppenden Verkehr so sehr, dass wir lange Zeit im Stau stehen. Die Schwestern, die selber lange Zeit nicht mehr nach Jo’burg gekommen sind, sind schockiert über die Verkehrszustände. Verglichen mit anderen afrikanischen Städten sind sie jedoch paradiesisch geordnet.

Alexandra erweist sich mit seinen Straßenhändlern, hupenden Minibussen und zusammengezimmerten Hütten, als das Afrika, das ich aus den anderen Ländern kenne. Hier wird einmal mehr deutlich, wie groß die Kluft in Südafrika zwischen reich und arm, zwischen weiß und schwarz ist.

Father Kairns (OMI) erweist sich als eloquenter Erzähler, der mit ein wenig Wehmut über die Zeit vor 1994 spricht.
Alexandra war das erste schwarze Township in Südafrika und ist nach wie vor das ärmste. Im Moment scheint sich die Situation hier täglich zu verschlechtern. Laut Father Kairns waren die Menschen vor dem Ende der Apartheid zwar arm aber die Situation war ruhig. Nun ist es so, dass nur die ärmsten im Township beleiben. Die Menschen seien nicht nur materiell arm sondern auch sozial und seelisch veramt. Sie haben ihre positiven Traditionen vergessen (Respekt vor den Alten, dem Leben ihrer Nachbarn, dem Eigentum und der Privatsphäre anderer)
Zwar gab Mandela nach Beendigung der Apartheid 1,3 Billionen Rand zur Stadtteilerneuerung, aber dieses Geld erreichte Alexandra nie, sondern versickerte unterwegs. Heute leben rund 360.000 Menschen auf diesem kleinen Gebiet. Nur rund 100.000 von ihnen sind ursprüngliche Bewohner des Townships, alle anderen sind von weit her zugezogen, entweder von den weit entfernten Homelands oder gar aus dem Ausland. Besonders die Mehrheit der Ausländer lebt hier illegal, ohne Aufenthaltsgenehmigung. Das bedeutet sie haben keinerlei Anrecht auf Unterstützung und ihre Kinder werden von kirchlichen Einrichtungen aufgefangen oder verbringen ihre Tage auf der Straße.

Father Kairns kam 1984 in die Pfarrei. Damals gab es hier bedingt durch das Apartheids-regime zunächst kein funktionierendes Gemeindeleben. Alexandra war vor 1969 der einzige Ort, an dem schwarze Südafrikaner Eigentum (Land, Haus) besitzen durften. Dann wurden alle enteignet auch die katholische Kirche. Viele wurden nach Soweto zwangsumgesiedelt. Die Menschen waren eingeschüchtert, jeder war um sein tägliches Überleben bemüht.

1984 gingen gerade noch 200 Menschen in die Pfarrkirche. Die Kirche musste damals ihre eigene Kirche mitsamt Pfarrhaus vom Staat mieten. Besonders die katholische Pfarrei in Alexandra spielte eine bedeutende Rolle während des Befreiungskampfes. Hier trafen sich hochrangige Führer der Opposition und Pfarrhaus und Kirche wurde zum Asyl vor allem auch für demonstrierende Kinder. Father Kairns berichtet von einer Nacht, in der 38 angeschossene Kinder und Jugendliche zu ihm gebracht wurde und er sie mit den vorhandenen Mitteln behandeln musste. Am nächsten mischten sie sich unter die sonntäglichen Kirchenbesucher und konnten so ungehindert unter den Augen der vor der Kirche wartenden Polizei entkommen.

1989 erhielt die Kirche ihr Eigentum, bis auf die Schule, zurück. Die Schule wird bis zum heutigen Tag vom Staat betrieben und ist wie die meisten staatlichen Schulen in einem sehr schlechten Zustand. Zwar kämpft Father Kairns immer noch darum, die Schule zurück zu bekommen, vor allem da sie mitten auf dem Gelände der Pfarrei liegt, muss aber inzwischen selber einsehen, dass die Renovierung beinah unbezahlbar wäre.

Inzwischen zählt die Pfarrei 1.500 praktizierende Katholiken, an manchen Sonntagen kommen jedoch bis zu 5000 Menschen in die kleine Kirche. Die Bevölkerung von Alexandra wächst täglich und es finden bis zu 30 Taufen im Monat statt. Kirchliche Eheschließungen sind eher Seltenheit, die meisten Paare heiraten - wenn überhaupt – nach der Loballa, die traditionelle Art der Eheschließung.

Als Father Kairns die Pfarrei übernahm, waren die dringendsten Bedürfnisse die Sorge um die alten verlassenen Menschen und die Schule, die aber bis heute nicht zurückgegeben wurde. Viele dieser alten haben bis heute keine Geburtsurkunde, aufgrund derer es ihnen möglich wäre Gelder zu beantragen. Nur die Wohlhabenden haben die Möglichkeit in einem staatlichen oder privaten Heim unterzukommen.

Inzwischen gibt es auf dem Gelände eine Kinderkrippe und einen Kindergarten, ein Altenheim und das Sacred Heart Home für missbrauchte Mädchen. (phasing out because of less need).

Das Altenheim wird von einer katholischen Schwester und einer gelernten Krankenschwester geführt und macht einen sehr guten Eindruck.